Bilder, Texte und Töne – kunstvoll komponiert und zusammengesetzt zu einer komplexen und assoziativen Video-Installation mit dem Titel „Sans historie“ – damit hat die Künstlerin Maya Schweizer die diesjährige Jury des Dagesh-Kunstpreises überzeugt. Sie erhält den mit 7 000 Euro dotierten Preis, der vom Jüdischen Museum Berlin (JMB) und Dagesh – Jüdische Kunst im Kontext verliehen wird.
In ihrer Arbeit geht es um individuelle und kollektive Erinnerungskulturen und die Frage, welchen Einfluss sie auf die Gegenwart haben. Vor allem ihr multiperspektivischer Ansatz kam gut an:
„Utopien sind hier als Prozesse aufgefasst, die helfen können, mit allgegenwärtigen Ängsten umzugehen. In komplexen, assoziativ gefügten Bildern lotet die Künstlerin die Monumentalität utopischer und dystopischer Vorstellungen aus und löst sie aus der Zeitlichkeit von Enttäuschung und Hoffnung.“ (vollständige Jury-Begründung unten)
Der Dagesh-Kunstpreis wird bereits zum dritten Mal vergeben. Diesmal stand eine Auseinandersetzung mit der Frage „Was jetzt? – Von Dystopien zu Utopien“ im Mittelpunkt. Aus einer dezidiert jüdischen Perspektive sollte diese Frage künstlerisch beantwortet werden. Jury-Mitglied Arnold Dreyblatt begründet sein positives Votum für Schweizers Arbeit so:
„Maya Schweizers Filme und Installationen wurden international ausgestellt und spiegeln oft eine jüdische Perspektive wider, indem sie die Grenzen von individueller und historischer Erinnerung, öffentlichem und privatem Raum im Kontrast zu menschlichem und tierischem Verhalten erforschen. Ihre Filme stellen mit einem ruhigen, introspektiven und subtilen poetischen Vokabular die Vorstellungen von filmischer Narrativität in Frage. Man erlebt ein Geflecht aus gefilmten Beobachtungen und ‚gefundenem Material‘, das dann mit einer selbst produzierten Tonspur aus Geräuschen und gesprochenen Texten collagiert wird, die an die historische Tradition des essayistischen Films erinnert.“
Die in Berlin und Paris arbeitende und bereits mehrfach ausgezeichnete Künstlerin Maya Schweizer möchte ihre neue Arbeit als letzten Teil ihres Triptychons „Voices and Shells“ und „L’étoile de mer“ sehen.
Der Dagesh-Kunstpreis wird am 4. Mai 2023 im Rahmen einer öffentlichen Preisverleihung überreicht. Das ausgezeichnete Kunstwerk von Maya Schweizer wird vom 05.05.2023 bis 31.08.2023 im Jüdischen Museum Berlin ausgestellt.
Bisherige Preisträger*innen: Liat Grayver, Yair Kira und Amir Shpilman, Talya Feldman.
Mitglieder der Jury: Arnold Dreyblatt (Bildender Künstler, Kurator), Jelena Jeremejewa (Filmemacherin, Publizistin), Shelley Harten (Kuratorin JMB) Jo Frank (Dagesh, Autor, Verleger), Daniel Laufer (Bildender Künstler, Kurator, Dagesh), Julia Friedrich (Sammlungsdirektorin JMB).
In der Jurybegründung heißt es:
„In Maya Schweizers Arbeit »Sans histoire« wird die Frage ‚Was jetzt?‘ multiperspektivisch ergründet. Utopien sind hier als Prozesse aufgefasst, die helfen können, mit allgegenwärtigen Ängsten umzugehen. In komplexen, assoziativ gefügten Bildern lotet die Künstlerin die Monumentalität utopischer und dystopischer Vorstellungen aus und löst sie aus der Zeitlichkeit von Enttäuschung und Hoffnung. Individuelle und kollektive Erfahrungen sind in Spannung versetzt, das Medium Film verzeichnet ein Inventar der Wirklichkeit. Filmische Prozesse wie Verlangsamung und Detaillierung sowie eine Fülle an Material (Bildzeugnisse, Text- und Tonfragmente) setzen Reflexionen in Gang, die als Reaktion auf einen lähmenden Zeitgeist befreiend wirken können.
Schweizers künstlerisches Konzept hat die Jury als relevanter Beitrag zur Frage ‚Was jetzt?‘ überzeugt. Aus der Reflexion zieht die Künstlerin eine Ermutigung: Sie will Räume für die Gestaltung der Gegenwart und Zukunft freilegen. Das hat die Jury dazu bewogen, Maya Schweizer den Dagesh-Kunstpreis 2023 anzuerkennen.“