Der mit 7000 Euro dotierte Preis wird von Dagesh. Jüdische Kunst im Kontext und dem Jüdischen Museum Berlin (JMB) verliehen. Er stärkt eine neue und vielfältige Sichtbarkeit jüdischer Gegenwartspositionen und zeichnet Werke aus, die sich mit den Problemen der Gegenwart und der Frage von Zusammenleben auseinandersetzen.
Die Preisträgerin Talya Feldman untersucht in ihrer multimedialen Arbeit The Violence We Have Witnessed Carries a Weight on Our Hearts die Kontinuitäten rechten Terrors in Deutschland von 1979 bis heute. Sie präsentiert Sprachaufnahmen von Überlebenden rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt sowie von Familien der Terroropfer und Initiativen, die gegen rechten Terror kämpfen.
Die raumgreifende Installation versammelt Dutzende von Stimmen aus 18 Städten, in denen Attentate und Anschläge stattgefunden haben – von der Ermordung von Raúl Garcia Paret und Delfin Guerra in Merseburg im Jahr 1979 bis zu den Morden an Ferhat Unvar, Said Nesar Hashemi, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin in Hanau im Jahr 2020.
Die Ausstellung stellt eine Landkarte Deutschlands mit Grundrissen der 18 Städte dar. Auf von der Decke hängenden Netzen – einem Material, das im Gerüstbau zum Schutz von Passanten vor herabfallenden Trümmern verwendet wird – sind Smartphones integriert, die in Sprachbotschaften die Überlebenden und Betroffenen der Anschläge zu Wort kommen lassen. Die Stimmen kommunizieren in einer komplexen Synchronisierung auf Deutsch, Türkisch, Englisch, Spanisch, Hebräisch und Französisch miteinander und bilden ein akustisches und auch visuelles Netzwerk: Die auf den Displays visualisierten sichtbaren Klangwellen verweisen nicht nur auf das ursprüngliche Format der Botschaften, die als Audiodateien über die sozialen Medien verschickt wurden, sondern pulsieren wie Herzschläge, die zwischen den Menschen widerhallen und an die Gewalt und deren Opfer über Zeit und Raum hinweg erinnern.
Aus der Perspektive der betroffenen Menschen zeigt Talya Feldman, wie groß die Traumata für das Umfeld der Opfer auch nach den Anschlägen sind – bis heute. Die Stimmen in der Installation thematisieren auch die Rolle von Polizei, Verfassungsschutz und Justiz, die sich in zahlreichen Fällen zu spät und nicht ausreichend auf die Täter aus rechten Netzwerken konzentrierten. So wurden bereits 1980 im Fall der Ermordung von Shlomo Lewin und Frida Poeschke die Täter zunächst im Umfeld der Opfer gesucht, obwohl verschiedene Hinweise für rechtsextreme Täter sprachen. Nicht zuletzt die Anschlagsserie des NSU und die Anschläge von Halle und Hanau haben gezeigt, wie mangelhaft der Schutz vor und die Aufarbeitung von rechtem Terror in Deutschland nach 1945 funktioniert hat. Diese Kontinuität macht Talya Feldmans Installation erfahrbar.
Die Installation wird vom 21. Mai bis zum 1. August in der Eric F. Ross Galerie im Libeskindbau des Jüdischen Museums Berlin ausgestellt.
Talya Feldmans Arbeit The Violence We Have Witnessed Carries a Weight on Our Hearts wurde aus 60 Einreichungen zum Thema „Wehrhafte Kunst“ von einer achtköpfigen Jury ausgewählt.
Der Dagesh-Kunstpreis und die Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin werden durch eine Förderung der Freunde des Jüdischen Museums Berlin ermöglicht.
Weitere Informationen zur Künstlerin und zur Ausschreibung des 2. Dagesh-Kunstpreis finden Sie >>hier
Stephanie Haerdle
Dagesh. Jüdische Kunst im Kontext
Presse & Kommunikation
Tel. 0174-3772 897 | haerdle @ leo-baeck-foundation.de | dagesh.de
Was? Wann? Wo?
ÖFFENTLICHE DIGITALE PREISVERLEIHUNG AM 20. MAI
Beginn: 19 Uhr
Link: https://www.youtube.com/channel/UCOTMXNHrwim4HiWpE558VWg/featured
Begrüßung und Preisverleihung von Hetty Berg, Direktorin des Jüdischen Museums Berlin
Virtuelle Tour durch die Ausstellung mit der Künstlerin Talya Feldman, Julia Y. Alfandari, Programmkoordinatorin von Dagesh. Jüdische Kunst im Kontext, und Gregor H. Lersch, Leiter Ausstellungen und Kurator, Jüdisches Museum Berlin
Überlegungen zu „Wehrhafter Kunst“ und Verabschiedung von Jo Frank, Geschäftsführer von Dagesh. Jüdische Kunst im Kontext/ Director of Development der Leo Baeck Foundation
Die Preisverleihung findet in deutscher und englischer Sprache statt.
Informationen zur Ausstellung im Überblick
21. Mai bis 1. Aug 2021
frei
Libeskind-Bau EG, Eric F. Ross Galerie
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin
Zum Lageplan